Glockenturmzwiebel - Die heimatkolumne

„Einsteigen bitte!“


So klang es oft laut und vernehmlich an der Neuenhagener Kleinbahnstrecke mit drei Bahnhöfen. Der Ausbau der Bahn in und um Berlin wurde auf Grund des steigenden Bedarfs an Transport- und Beförderungsmöglichkeiten für die wachsende Bevölkerung im 19. Jahrhundert unternommen. Hier meldete sich auch der Bedarf in einer damals noch ländlichen Gegend an. Altlandsberg wollte an den Verkehrsmöglichkeiten nach Berlin seinen Anteil haben und eine Verbindung zur schon vorhandenen Ostbahn sichern. Neuenhagen erfüllte dabei ebenfalls schon einige wichtige Bedürfnisse des Ortes. Die Versorgung mit vielen wichtigen Gütern konnte auf schnellen Wegen gesichert werden. Jetzt war die Notwendigkeit für den Bau der Kleinbahn von Hoppegarten nach Altlandsberg gegeben. Es konnte somit die bereits gebaute Rennbahn mit Futtermitteln für die Pferde vom Lande gesichert werden. In Neuenhagen lieferte man ebenfalls landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Holz und Kohlen und andere Erzeugnisse für den täglichen Bedarf. Auch für das Rathaus, dass an der Strecke lag, ergab sich ein rentabler Weg für notwendige Transporte.

Kleinbahn in Aktion/Quelle: Archiv Klaus Wegner


Nach 10 Monaten Bauzeit für 470.00 Reichsmark wurde die Strecke von 6,8 Kilometer am 4. Oktober 1898 in Betrieb genommen. Durch den Einsatz der Normalspurbreite der Gleise war der direkte Anschluss an das gesamte deutsche Eisenbahnnetz gegeben. Mit dem Bau der Kleinbahn siedelten sich an der Strecke kleine Unternehmen an. Für die Firma Schmäcke und später für die Firma Ott waren dies wichtige Faktoren für ihre Lieferungen und Transportaufgaben.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Bau der Kleinbahn war der Personenverkehr für die boomende Großstadt Berlin. Pünktlich um 4.54 Uhr startete der erste Zug morgens in Hoppegarten und erst um 0.53 Uhr fuhr der letzte Zug zum Endbahnhof Altlandsberg. Die Fahrzeit betrug 20 Minuten, der Fahrpreis pro Person betrug 60 Pfennige. Die Bahn besaß zwei Lokomotiven, zwei Personenwagen und weitere Wagen für den Gütertransport.

Entlang der ganzen Fahrstrecke erfreuten sich allerdings nicht alle Anwohner in Neuenhagen an diese technische Neuerung. An die Strecke, die durch Grundstücke eng begrenzt war, bekamen schon früh die Menschen Dampf, Rauch und Lärm zu spüren durch die beiden im Einsatz befindlichen Dampfloks zu spüren. Der damit verbundene Funkenflug verursachte des Öfteren im Umfeld auch schon mal ein Brand. Unterstützend war dabei noch die Tatsache das von dem anliegenden Friedhof ausgediente Kränze oder sonstiges Material zur Entsorgung über die Mauer in die Nähe des Gleises geworfen wurde, welche damit auch noch als Brandbeschleuniger dienten. Die notwendigen Überquerungen der Bahn über die Straßen ohne Schranken brachte ebenfalls Probleme der Sicherheit mit sich, obwohl der Straßenverkehr damals noch moderat und gemütlich war. 

Die Ausstattung der vier Haltepunkte – Altlandsberg Vorstadt, Seeberg Gartenstadt, Neuenhagen und Hoppegarten - auf der Strecke war auch nicht gerade nach derzeitigem Standard. Am Haltepunkt in Neuenhagen gab es eine wackelige Holzhütte und keinerlei Beleuchtung oder Sicherheitsvorgaben. Da kam es schon mal zu gelegentlichen Unfällen. Am Wochenende war vorerst Ruhe auf der Strecke. Aber die Bahn hielt durch und war nützlich bis 2000 der letzte Kohletransport erfolgte. 

Nach dem Krieg wurde am 12. Mai 1946 der Betrieb der Bahn wieder aufgenommen. Es fuhren täglich bis zu 13 Zugpaare an Werktagen. Zum Teil wurden 10 Tonnen Kohle für die Firma Ott und 45 Tonnen anderes Baumaterial täglich für die Firmen umgeschlagen und damit für die Versorgung der Neuenhagener sichergestellt. Doch der Betrieb rentierte sich auf Dauer nicht mehr. Am 29. Mai 1965 erfolgte schon der letzte Personenverkehr. Die Strecke wurde dann nicht mehr genutzt und verkam, die Natur hat bis heute fast ihr gesamtes Gelände zurückerobert.

Bäume und Sträucher schafften zum Teil ein undurchdringliches Gelände mit verwilderten kuscheligen Ecken in denen besondere Freizeitaktivitäten ihren Haltepunkt fanden (z. B. nahe der Landhausstraße eine Stelle, an der sich noch bis 2002 säckeweise leere Bierdosen fanden und die Reste von Prospektpaketen, die als Brennmaterial für das Lagerfeuer dienten). Seit vier Jahren ist nun das Gebiet verschlossen und aus mit der Romantik. Nur gründlich wie man ist, wird jährlich ein 1,5 m breiter Streifen neben den Schienen von Bewuchs befreit. Die deutsche Gründlichkeit gibt es also immer noch.

Aber auch etwas Nützliches brachte die stillgelegte Bahnstrecke mit sich. Man sollte es gar nicht glauben, ein Teil der Schienen wurde vor einigen Jahren mit viel Aufwand entfernt, weil sie ein besonderes Profil haben, das für bestimmte Fahrzeuge notwendig sind. Sie befinden sich jetzt im Einsatz im „DDR-Museum“ in Löwenberg als echtes artgerechtes Exponat für alte Fahrzeuge der früheren Eisenbahntechnik.

An der Endhaltestelle in Altlandsberg ist heute ein großer Parkplatz entstanden, die Zufahrtsstraße heißt “Am Kleinbahnhof“ und ist noch ein Andenken an frühere Zeiten. An dieser Stelle ist auch eine Gaststätte neu erstanden, sehr modern sogar ein paar alte Transportgestänge im Gastraum sind ebenfalls als „Kulturdenkmal“ für die Eisenbahntechnik erhalten geblieben.

In den nächsten Jahren oder auch bald, soll nun eine neue Etappe für den ehemaligen Schienenstrang einsetzen (Beschluss der Gemeindevertretung vom September 2023). Ein Radweg soll die Strecke wieder beleben und damit den Neuenhagener etwas Verkehrsberuhigung auf den anliegenden Straßen bringen und somit soll auch ein Stück der naturnahen Umgebung erhalten bleiben. 

Autorin: Marianne Wachtmann/Foto: Erik Koch