Am 27. April fand das diesjährige Sattelfest statt. Thema der Neuenhagener Tour: „Der gute Ton“. Gemeint war mit dieser zweideutigen Aussage das Naturprodukt, das in Neuenhagen einst zur Verwendung kam. Wie jedes Jahr, kam die Frage auf, ob das Gehörte irgendwo noch einmal nachgelesen werden kann. Hier die Reminiszenz zum Vortrag.
Ton und Lehm sind in unseren Breiten nichts Besonderes. Dennoch ist es bemerkenswert, das es im Jahr 1904 im ehemaligen Regierungsbezirk Potsdam 132 Ziegelleien gab, während in der Gegend um Frankfurt/Oder oder Sachsen die Zahl bei Mitte 60 lag.
Bedingt durch die umfangreiche Tonvorkommen befanden sich einst in der Gegend um Berlin zahlreiche Gruben in denen Lehm, Ton und Sand beziehungsweise Kies abgebaut wurden. Während der Lehm Verwendung als Baustoff fand, war es der Ton, der seine Bestimmung in Keramik, Mauersteinen und Ziegeln erlebte. Bleiben wir aber erst einmal beim Lehm. Er ist weder so plastisch wie Ton und auch nicht so wasserdurchlässig. Des Weiteren besitzt er eine hohe Wärmespeicherung sowie brandhemmende Eigenschaften.
Auf alten Neuenhagener Karten sticht ein bestimmtes Abbaugebiet immer wieder ins Auge: der Lehmkutenberg. Während dieser Name heute vollkommen in Vergessenheit geraten ist, und eher die Bezeichnung Rathausberg Verwendung findet, so ist er als Erhebung immer noch spürbar. Egal von welcher Seite man sich dem Rathaus nähert, man muss den Berg erst einmal „erklimmen“. Eine weitere Bezeichnung findet sich im Mühlenberg, einem Teil des Lehmkutenberges. Dieser hat in der Straße Am Rathaus auf Höhe der Nummer 11 K seinen höchsten Punkt. Lange stand hier die Bockwindmühle.
Aber zurück zum Thema: Während den Älteren noch der Begriff Kute geläufig ist – aus dem berlinischen kommend und so viel wie grubenartige Vertiefung, Kuhle bedeutet – sei es aus Verknüpfungen wie Müllkute oder Jauchekute, ist er aus dem heutigen Sprachgebrauch verschwunden.
Jene Tongruben sind auf der Karte von 1839 ersichtlich. Anfangs auf dem heutigen Rathausstandort, ist um 1870 eine Grube in Höhe der Kleinbahngleise ersichtlich. Verwendung fand der hier abgebaute Lehm im Bau. Genutzt für Ausfachungen von Fachwerken, als Schüttung für Zwischendecken oder zum Verputzen von Wänden und Decken. Auch war er wegen seiner positiven Eigenschaften bezüglich der Wärmespeicherung geschätzt. Ein weiteres Plus war die Tatsache, dass er kostenlos und lokal verfügbar sowie gut zu verarbeiten war. Die Tongruben hingegen befanden sich augenscheinlich nur in der Ziegelstraße und in Bollensdorf in Höhe der heutigen Osteroder Straße.
Eine weitere Art von Abbau gab es in Form von Sand- und Kiesgruben. Solche befanden sich in der Dahlwitzer Straße, wo heute der Kindergarten Frohsinn und die Turnhalle sind. Eine weitere befand sich auf Höhe der heutigen Hausnummer 13 in der Rudolf-Breitscheid-Allee. Zum Standort der Turnhalle gibt es noch eine Anekdote. Einst fiel dieser Platz per Los an den Bauer Müller. Anfangs nicht genutzt, verdiente er später viel Geld mit dem Verkauf des Kieses an die Bahn, die diesen für die Errichtung der Ostbahn benötigte. Die Weiterverarbeitung des Tons hingegen, fand größtenteils in Ziegeleien statt. Die bisher älteste gefundene hatte ihren Standort in der heutigen Hauptstraße auf dem Gelände, wo später der Rennstall Oppenheim errichtet wurde. An der südlichen Seite gab es dort einst einen Feldbrandofen. Dieser, einfacher Bauart, hatte zirka die Maße zehn mal sieben Meter und lässt sich, zum jetzigen Zeitpunkt, auf das Jahr um 1870 datieren. Ein zweiter kleinerer Ofen kam dann 1890 dazu. Der erforderliche Ton stammte, wie es scheint, aus der Tongrube, welche sich einst hinter dem heutigen Haus der Senioren befand. 1876 kam dann eine zweite Ziegelei in der heutigen Ziegelstraße, dessen Name sich davon ableitet, dazu.
Der Berliner Ziegeleibesitzer Richard Schoenwaldt errichtet dort eine Dampfziegelei. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine mittels Dampf angetriebene Maschine, die den Ton aus der Grube förderte, reinigte und portionierte. Die fertigen Ziegel wurden dann, ebenfalls automatisch, auf eine Ebene zum Trocknen gebracht. Das alte Maschinenhaus, in dem sich einst die Dampfmaschine befand, steht heute noch. Später, ein Datum ist bisher nicht auffindbar, kam dann ein Hoffmannscher Ringofen dazu. Diese im Jahr 1858 vom Ingenieur Friedrich Eduard Hoffmann gemachte Erfindung erlaubte es, mit weniger Brennmaterial weitaus höhere Stückzahlen an fertigen Ziegeln zu produzieren als bisher. Die Besonderheit dieses ovalen Ofens, der immerhin stattliche Maße von 34 Meter Länge und zehn Meter Breite besaß, war, dass man mehrere Kammern mit Steinen befüllen konnte. Während man eine Kammer mit Ziegeln und Brennmaterial befüllte, wurde diese mit einer Papierwand zur nächsten Kammer verschlossen. Nun wurde die nächste Kammer vorbereitet. Entzündete man nun die erste Kammer wanderte das Feuer ringförmig von Kammer zu Kammer. Während dieses Vorgangs wurden die fortlaufenden Kammern befüllt, während man die hinteren ausgebrannten und abgekühlten Kammern beräumen konnte. So konnte der Ofen mehrere Tage produzieren. Wer dieses Thema vertiefen möchte, dem sei ein Besuch im Ziegeleipark Mildenberg empfohlen, etwas mehr als eine Stunde mit dem Auto von Neuenhagen entfernt.
Aus den alten Unterlagen geht hervor, dass die Ziegelei mehrfach den Besitzer wechselte und anscheinend eher für den lokalen Gebrauch produzierte als für das wachsende Berlin. 1914 scheint die Ziegelei bereits nicht mehr existiert zu haben. Aus einem Artikel geht hervor, dass man das geplante Lager für Kriegsgefangene auf der Rennbahn in Hoppegarten aufgegeben hatte und dieses auf dem Gelände der alten Ziegelei in Neuenhagen errichten will. Um 1923 übernimmt dann der Berliner Druckereibesitzer Arthur Lehmann das Gelände. Augenscheinlich verschwinden in diesem Zusammenhang auch die Zweckbauten, also der Ringofen die Trockenschuppen und der Lagerschuppen. Des Weiteren lässt man ein größeres Stallgebäude errichten. Im Jahr 1950 wird das heutige Haupthaus gebaut in dem sich damals das Lehrkombinat der M.A.S. (Maschinen Ausleih Station, später LIW) befand. Nach diesem hatte das Objekt dann verschiedene Betreiber. Betriebsberufsschule des VEG Tierzucht, Christliches Jugenddorf und ab 1992 dann IB, welcher sich noch heute dort befindet.
Von den alten Gebäuden existieren heute noch das Haus des Ziegelmeisters (Hausnummer 16a), das alte Arbeiterhaus und das alte Maschinenhaus. Von den Tongruben sind nur noch schwach erkennbare Reste erkennbar. Eine Grube an der Autobahn ist als solche nicht mehr ersichtlich. Die Grube auf dem IB-Gelände wurde in den 1930er Jahren vergrößert und wurde dann als Teich auf dem Gelände genutzt. Älteren Neuenhagenern wird er noch als Michapfuhl bekannt sein.
Zement als neuer Baustoff, industrielle Herstellung und abnehmende Tonvorkommen ließen die örtlichen Ziegeleien, so auch in Neuenhagen, verschwinden. Heute erinnert lediglich der Straßenname an diese alte Zeit.
Eine weitere Ziegelei befand sich einst auch in Bollensdorf an der Hildesheimer Straße. Später wandelte sie sich zur Töpferei. Die Tongrube an der Osteroder Straße wurde nach der Nutzung durch die Ziegelei von Oscar Titel und seiner Kunsttöpferei genutzt.
