Glockenturmzwiebel

Das Edda in der Königsallee


In einer Zeit als das Gucken von Filmen über das Internet, Blu-Ray-Player, DVD und Flachbildfernseher absolut undenkbar waren und der erste Fernseher im Jahr 1935 mit 1800,- RM für die meisten unerschwinglich war, gab es immerhin das Kino. Freilich kein Vergleich zum heutigen, aber für unsere Eltern und Großeltern und zum Teil auch für viele meiner Generation, war es eine großartige Einrichtung die uns für eine gewisse Zeit Unterhaltung und Freude bot. 

Bevor Neuenhagen ein eigenes Kino bekam, gab es schon im Vorfeld Filmvorführungen oder wie man es damals nannte Lichtbildtheater, Saalkino oder Kinomatograph. Die Geschichte hierzu beginnt bereits 1912 als der Gastwirt Wenzel Lindner in seinem Restaurant in der Hoppegartener Straße ein Kinomatographentheater errichten will. Ob es zustande kam, ist leider nicht überliefert. Hinter dem hoch technischen Namen verbirgt sich nichts weiter als ein separater Raum für die Vorführungen im Stile eines damals üblichen Saalkinos. Hierbei handelt es sich um eine Vorführung mittels Projektors in einem angemieteten Saal. 

Veranstaltungsankündigung im Jahr 1938 ( Foto: Möser, Archiv K. Hildebrandt)

In unserem Fall war es der Gasthof Wolter aus dem später das Bürgerhaus wurde. Diese Veranstaltungen sollen noch bis 1937 stattgefunden haben. Aber auch im Deutschen Haus im Dorf gab es solche Vorführungen. Damals noch mit einem Saal im Obergeschoss ausgestattet, wurden dort dem staunenden Publikum bewegte Bilder vorgeführt. 

Die Geschichte des Edda Kinos beginnt mit der Sitzung der Gemeindevertreter am 11. März 1936. Im Protokoll heißt es im letzten Punkt lapidar: „Mit der Errichtung eines Kinos auf dem Grundstück Reimann an der Königsallee sind die Gemeinderäte grundsätzlich einverstanden.“ Bauherren und Antragsteller sind die Handelsgesellschaft Krieger & Ehlert, gegründet 1936, aus Berlin. Bei der Firma handelt es sich um zwei Frauen. Elsa Krieger und Erna Ehlert. Beide Damen und zum Teil auch Familienangehörige waren bereits zahlreiche Jahre zuvor in Berliner Kinos tätig gewesen und hatten daher reichlich Erfahrung sammeln können. Ihnen zur Seite stand mit dem Leiter und Schullehrer der Fachschule für Lichtspieltheater, Herrn Ehlert jr., ein weiterer Fachmann zur Seite. 

Am 25. März 1936 fand eine Ortsbesichtigung des geplanten Standortes statt. Eingeladen hierzu waren neben der antragstellenden Firma auch Elisabeth Polzin und Otto Wolter als Betreiber des Saalkinos im Gasthaus Wolter. Hintergrund hierzu war die Entscheidung der Reichsfilmkammer, die Wert auf das Gutachten der Ortsbegehung legte, als auch auf die Wertung der zuständigen Ortsgruppe der NSDAP. 

Der Bauschein verweist beim geplanten Vorhaben nicht nur auf ein „Lichtspieltheater“ sondern auch auf das Vortragspodium, also eine Bühne vor der Leinwand. Das Richtfest fand am 15. Oktober 1936 statt. Da die damalige Witterung dem Vorhaben entgegenstand verlegte man diese in das Restaurant Vierboom (Parkrestaurant). Unter den zahlreichen geladenen Gästen befand sich auch die Firma Karl Müller, die den Bau errichtet hatte. 

Auch fand bei der Feierlichkeit die Erläuterung zur Namenswahl statt. Dieser sollte von nun an Edda beziehungsweise Edda-Lichtspieltheater sein. Anklang fand der Name damals nicht überall. Wie einem schlichten Dokument zu entnehmen ist, schlug man „aus besonderen Gründen“ den Namen „Neuenhagener Lichtspiele“ vor. Wie alle wissen, wurde aus dem Vorschlag nichts. Entlehnt ist dieser Name übrigens einer aus dem 13. Jahrhunderten stammenden skandinavischen Götter- und Heldensage. Bemerkenswert ist, dass sich gerade dieser Name auch über die DDR-Zeit erhalten hat, wo Volksfremde und kosmopolitische Namen oftmals ersetzt wurden. 

Der ursprüngliche Bau wies eine Sitzzahl von 400 Sitzplätzen auf, die um 100 erweitert werden konnten. Die Bühne selbst hatte eine Größe von 4 mal 8 Meter. Eine Bühnengarderobe, Seitenventilation für Frischluft und Heizschlangen in den Dielen sowie schallschluckende Deckenplatten boten für die damalige Zeit einen gewissen Komfort. Im Vorraum befanden sich Garderobe und Kasse sowie die Treppe zu den Toilettenräumen, die im Keller untergebracht waren. Geradezu befanden sich zwei Türen zu den fünf Logen, die Türen links und rechts führten in das Innere des Kinos. Zum Verlassen des Saales befanden sich links und rechts zwei Seitenausgänge, die auf der rechten Seite zu den überdachten Fahrrad- und Motorradstellplätzen führten. Eröffnung des Kinos war Weihnachten 1936 mit dem Film „Der Bettelstudent“.

EDDA im Jahr 1952 mit DDR-Symbolik (Archiv Dr. Siek, Gemeinde Neuenhagen bei Berlin)

Den Krieg übersteht das Kino unbeschadet. Anfangs noch im Privatbesitz fällt die Einrichtung in den fünfziger Jahren an den Volkseigene Kreislichtspielbetriebe. Diese unterstehen administrativ den örtlichen Staatsorganen, um 1957 dann dem Rat des Kreises Strausberg. 

Im Jahr 1963 erfährt es eine bauliche Veränderung. Anstelle der markanten alten Fassade errichtet man jene neue, die vielen von uns noch in Erinnerung ist. Im Foyer verschwinden nicht nur die Türen zu den Logen sondern dieselben ebenfalls. Auch versieht das planende „Berliner Institut für Technologie kultureller Einrichtungen“ den Eingangsbereich mit neuer zeitgenössischer Farbe und Tapete. Auch verliert das Edda einige Plätze. Von einstmals 400 stehen nun 351 dem Publikum zur Verfügung.

Neben den Filmvorführungen erfüllt das Edda aber auch einen kulturellen Zweck. Theatervorführungen, Filmklub und natürlich die Jugendweihefeiern sind vielen in Erinnerung geblieben. Der reguläre Spielbetrieb im Edda endet im Juli 1991. Nach Zwischennutzungen, als Getränkemarkt und Sitz einer Reinigungsfirma, beginnt 1996 mit dem Abriss des Vorbaus die bauliche Umgestaltung des Gebäudes. Von 2006 bis 2008 wird das Gebäude im größeren Umfang umgebaut. So wird im Saal eine Zwischendecke eingezogen. Nach dem Umbau eröffnet dann das Kinder- und Jugendtanzensemble hier seine Pforten. Noch heute blickt manch Neuenhagener mit Wehmut auf Erinnerungen zurück, die er mit diesem Standort verbindet.